Sie steht am Ufer und blickt hinaus, hinaus aufs Wasser. Tief schweigend, von Nebel umhüllt, genau wie der See. „Antworten sucht man nicht, man findet sie“, denkt sie. Und trotzdem entdeckt sie nichts auf der spiegelglatten Oberfläche. Das Wasser so schwarz, man könnte glauben, alles darin erstickt.
Regen hängt noch in der Luft, als sie sich ins nasse Gras setzt. Es ist zu still, viel zu still. Die Berge rundherum, ein Käfig. Trotzdem keine Ruhe. Sie könnte nach Hause gehen und eine Flasche Wein öffnen. Ihr ist fürchterlich kalt am Ufer. Das Wasser, das Gras, die Berge, immer noch keine Antwort.
Das letzte Mal, als sie hier war, ist sie noch glücklich gewesen. Eine letzte Seerose hält sich noch aufrecht in den dunklen Fluten. Der Sommer ist schon längst vorbei. Sie sieht die Rose und muss laut lachen. Die Berge werfen das Echo zurück. Auf einmal ist es unglaublich laut am Ufer. Schreit der See ihren Namen?
Das Wasser bewegt sich immer noch nicht. Jetzt muss sie weinen. Alles bleibt wieder still, nur sie nicht. Die letzte Rose lacht sie aus, einsam vom Wasser her. Sogar die letzte Rose ist stärker als sie. Auch sie wird das Jahr nicht überstehen. Aber Rosen wachsen wieder. Sie friert fürchterlich.
Ein letzter Versuch. Sie nimmt einen Stein und wirft ihn hinaus.
Die Seerose schwimmt, der Stein sinkt.
Nein, sie kann nie zufrieden sein.