Mein Daumennagel hinterlässt ein Brennen auf meiner Zeigefingerkuppe.
Ich habe das Gefühl, das Brennen würde zu Flammen werden und die Flammen zu Hitze, zu unbeständiger, die die oberste Hautschicht meines Zeigefingers dahinschmelzen lässt.
Ich habe das Gefühl, dass mein Daumennagel ein anderes Muster in die Rillen meiner Fingerkuppe schabt.
Ich habe Angst, dass mein Fingerabdruck dahinschmilzt und die Schnecke aus zarten Rillen von meinem Finger rinnt und zu Boden tropft. Die ganze Schnecke, Tropfen für Tropfen, und nicht nur ihr Schleim allein.
Die Rillen durchziehen meine Haut wie Würmer die Rinde eines abgestorbenen Baumstammes. Aber ich sehe sie nur, wenn ich ganz genau hinschaue. Wenn ich meine Lider zusammenziehe und mir sicher bin, dass das Weiße in meinem Auge kaum mehr zu sehen ist.
Meine Lider fangen an zu zittern und die Sonnenstrahlen zeichnen winzige Kreise um die feinen Spitzen meiner Wimpern.
Dann schlage ich die Augen wieder auf, wieder ganz, und es fühlt sich so an, als würde ich ganz kurz die ganze Welt sehen.
Aber dann sehe ich nur noch durch die Autoscheibe. Und dann sehe ich Tara. Tara Marie. Marie Tara. Ich wollte ihren Namen Tara. Mein Mann, der liebte Marie. Mein Mann liebt mich.
Wir lieben unsere Tochter Tara Marie.
Der Krebs liebt sie auch.
Nicht die Krabbe am Strand, nicht die Strandkrabbe, nicht der Krebs mit den Zangen in der Steinspalte.
Der Krebs, der krank nach ihrer Lunge krallt.
Tara liebt ihre Lunge, aber die hat keine Kraft, um zurück zu lieben.
Tara, die krank ihr Leben liebt.
Tara, die ihr kränkliches Leben liebt.
Tara, die wir unendlich lieben.
Tara, auf die wir unendlich stolz sind.
Ich sehe Tara.
Ich nehme meinen Fuß vom Armaturenbrett. Das Armaturenbrett ist von Rillen durchzogen.
Mein Fuß jetzt auch. Bloß spiegelverkehrt.
Ich winke ihr zu. Ihr Mund lächelt mich an, aber heute auch sie. Wahrscheinlich wegen ihm.
Ich bin glücklich für sie.
Er ist groß und lächelt sie an. Sieht sie an und ich sehe die Zigarette in seinem Mundwinkel. Aber er zündet sie nicht an. Aber er lässt sie nicht entflammen.
Ich schiebe die Scheibe herunter.
Schiebe meinen Finger auf den Knopf und es macht Klick und die Scheibe verschwindet.
Ich winke ihr zu. Meiner Tochter entgegen. Sie sagt: „Hi, mom.“ Sie lächelt.
„Hi“, sagt er. „Matthias“, sagt er. „Hi“, sage ich.
„Mom?“, sagt Tara, fragt Tara, „Darf ich zu Mat? Mit zu Mat?“
Soll ich erlauben, verneinen, nicken, mit der Schulter zucken?
Er bringt sie zum Lächeln, zum Leben, zum Lieben.
Ich mag ihn, aber die Zigarette zwischen seinen Lippen nicht.
„Ja“, sage ich.
Danke, sagen ihre Augen, hab dich lieb.
Ich sage: „Sei pünktlich zu Hause. Hab dich noch mehr lieb.“
Sie zwinkert. Ich schaue ihnen nach.
Er grinst sie an, sie zurück.
Er nimmt ihre Hand und sie ihre Sauerstoffflasche.