Meinen Fingern gelingt es einfach nicht, die beiden Schuhbänder miteinander zu verknoten und eine Schleife zu formen, je öfter ich es versuche, desto komplizierter scheint es mir zu sein.
Dabei ist es doch eigentlich so leicht: übereinanderlegen, das eine Band darunter durchfädeln, festziehen, zwei Schlaufen formen und diese dann nach dem gleichen Prinzip miteinander verknoten.
Geht nicht, ich stampfe frustriert auf. Wie kam ich auch auf die blöde Idee, Schuhe zu kaufen, die geschnürt werden müssen.
Ein letzter Versuch, es klappt einfach nicht, meine Finger wollen die Befehle meines Gehirns nicht ausführen.
Ich hieve mich hoch, trotzig beschließe ich, dass es eben so gehen muss. Auf der Treppe bereue ich diesen Entschluss bereits, denn ich trete auf meine nicht geschnürten Schuhbänder und nur das Treppengeländer und meine – heute außergewöhnlich guten – Reflexe retten mich vor einem Sturz. Doch es ist zu spät, um noch einmal umzukehren.
Als ich die belebte Straße entlangmarschiere, begegne ich Leuten, die mich entweder ignorieren oder etwas befremdet ansehen. Wahrscheinlich sieht es witzig aus, wie ich so daherwatschle, mit meinen großen Füßen und den herumschlackernden Schuhbändern.
Ich gehe gerade die Treppen zur U-Bahn hinunter, da rennt ein telefonierender Mann in mich hinein, er war gerade dabei, sich hektisch durch seine restlichen Haare zu fahren. „He, passen Sie doch auf“, fährt er mich an. Dann fällt sein Blick auf meine Schuhe, sein Gesichtsausdruck ist unschwer zu deuten. Ich bin ein bisschen sauer, schließlich war der Zusammenstoß nicht meine Schuld, aber ich bin auch beschämt, dass er jetzt offensichtlich denkt, ich sei beschränkt oder so.
Die U-Bahn fährt ein und ich sprinte die letzten Stufen hinunter, es gelingt mir, nicht zu stolpern und mit einem Sprung bin ich drin.
Beim Umschauen fällt mir auf, dass der Typ von vorhin in diesem Waggon sitzt, er telefoniert immer noch. Seine Augen fixieren mich und schweifen langsam an mir herunter, die ganze Fahrt lang starrt er auf meine Füße.
Unbehaglich verlagere ich mein Gewicht immer wieder von einem Fuß auf den anderen, ich starre stur aus dem Fenster und atme erleichtert auf, als ich endlich aussteigen kann.
„Sie können mir diesen Auftrag nicht einfach wegnehmen, was soll ich denn jetzt machen?“, ist das Letzte, was ich von ihm höre. Ich schäme mich dafür, aber ein klein bisschen schadenfroh bin ich doch.